Untersuchungspfade

a. Unternehmensplanspiel/Ökonomie

b. Computerisierung

c. (Unterhaltungs-)Spiel

d. Unternehmensgeschichte

Vermutlich ist es eine der entscheidenden epistemologischen Innovationen des 20. Jahrhunderts, das Spiel als operatives Element der Wissens- und Wahrheitsproduktion in einen rationalen Diskurs eingebunden zu haben. Zu ergründen, welche Funktionen des Spiels dieses im vergangenen Jahrhundert als ›Reflexionsmedium‹ nobilitieren, steht im Fokus der Auseinandersetzung in diesem Untersuchungspfad. Zudem interessiert insbesondere die Verschränkung von Spiel und Simulation und die Frage, wie beides im Unternehmensplanspiel zusammenkommt beziehungsweise ob am Gegenstand eine sinnvolle Differenzierung zwischen modelltheoretisch veranschlagtem Simulationsbegriff und handlungstheoretisch motiviertem Spielbegriff entwickelt werden kann. Was ist das Spielerische am UPS und wozu dient es? Wo sind simulatorische Anteile dominant? Wie verhalten sich beide zueinander und in Hinsicht auf mediengeschichtliche und medientechnische Implementierungen der Computertechnologie? Welche ikonischen Darstellungen, Visualisierungen, welches Spielmaterial und welche Medientechnik verwenden Unternehmensplanspiele? Welche Anpassungsvorgaben und indirekten Imperative werden im Arrangement von Unternehmensplanspielen aktiviert, intensiviert und (re‑)produziert?

Dabei bildet sich ein spezifischer und operationaler Spielbegriff zwischen Erkenntniswerkzeug/-medium und Steuerungsmedium (zum Beispiel Spiel als ergebnisoffene Form, Spiel als Proberaum für Teamarbeit, Spiel als Problemlösungsverfahren, Spiel als Kontrolle, Spiel als Simulation und Experiment, und so fort). Dass das Spiel aber im wissenschaftlichen Sinne wahrheitsfähig und im pragmatischen Sinne handlungsanleitend wird, ist eben genau nicht denkbar ohne die Kopplung an den Computer und seine technisch-apparative kalkulatorische Kompetenz sowie die ihm kulturell zugeschriebenen, an ihn herangetragenen Rationalitätstypen. Hier können Arbeiten, die den Computer als eine (Kultur-) Technik konzipieren, die als Materialisationen spezifischer, vorentworfener und diskursiv konturierter ›algorithmischer‹ Rationalitätstypen zu verstehen ist herangezogen werden (wie beispielsweise Pias 2002).

In den konkreten Fallstudien zu Unternehmensplanspielen gilt es also, die Verschränkung von Spiel und Rationalität mit dem Medium Computer zu untersuchen. Theoretisch wird das Unternehmensplanspiel dabei als Element eines ökonomisch-unternehmerischen Spezialdiskurses aufgefasst, der über ein Netz von Diskursen an Modelle und Verfahren gesellschaftlicher (Selbst‑)Steuerung gekoppelt ist. Das UPS nimmt hier vermutlich eine strategisch bedeutsame Position ein, um theoretische Umorientierungen zu plausibilisieren und operational zu vollziehen. Dies schlägt sich wiederum mittelfristig im gesamtgesellschaftlichen Interdiskurs nieder, unter anderem in Form von wirtschaftsbezogenen Unterhaltungsspielen, die ihre zugrundeliegenden Konzepte aus dem Spezialdiskurs des UPS beziehen.

Die Relevanz und gesellschaftliche Wirksamkeit von Diskursen ist dabei abhängig von der kontinuierlichen, wiederholten Rezeption von Aussagen, die in der Analyse über eine Rekonstruktion diskursiver Formationen sichtbar gemacht werden können. Hierzu gilt es charakteristische Diskursfragmente auf die in ihnen enthaltenen Regelhaftigkeiten zu befragen, um somit die Grundlagen der Ausformung spezifischer Subjektivitäten nachzuvollziehen. Umgekehrt prägen die Subjekte durch ihre Handlungen wiederum Interdiskurse und Spezialdiskurse. In diesem Zusammenhang interessiert der Übertrag des (Spezial‑)Diskurses UPS in den (Inter‑)Diskurs, insbesondere in Form von Unterhaltungsspielen und Serious Games. Wie passiert es, dass im rational-ökonomischen Diskursfeld des Unternehmens ein Spiel eingesetzt wird? Welche Auswirkungen auf die Subjekte hat das? Wie wird Rationalität vermittelt und über den medialen Apparat der rechnenden Maschine und seine diskursiven Ausdeutungen mit Normalität und Normalisierung verschränkt? Gibt es einen definierten Umschlagpunkt von UPS zu Unterhaltungsspielen? Und erfolgt dabei eine Umwidmung von bestehenden UPS-Konzepten? Wie setzt sich das Unternehmensplanspiel in den Bereich des Unterhaltungsspiels fort? Welche Formen von Rationalität finden sich in zeitgenössischen Spielen? Und welche Brüche sind dabei zu konstatieren?

Darüber hinaus stellt sich die Frage nach der Bedeutung des Spiels als Norm. Gerade auch im Handlungsvollzug des Spiels findet eine Einbindung des (arbeitenden und produzierenden) Subjekts in Dynamiken des Selbstmanagements (»Unternehmerisches Selbst« – Bröckling 2007), der Selbstoptimierung (»Selbstadjustierung« – Link 2009) und der Selbstregierung (»Gouvernementalité« – Foucault 2000) statt. Während die Verdatung medientheoretisch für alle Computerspiele zu veranschlagen ist, zeigt sich, dass gerade Wirtschaftssimulationen dabei durch eine explizite Darlegung von Zahlenwerten im Rahmen der Spielauswertung charakterisiert sind (Punktevergaben, Tabellen etc. als Teil der Quantifizierung von Spielentscheidungen). Neben den spielinhärenten diskursiven Partikeln und ludischen Funktionen stützen darüber hinaus die extra-spielerischen, funktionalen wie technisch-medialen Formen der Applikationsvorgaben die Konstitution eines assimilativen Self-Monitoring durch das Spielen. Dieses Self-Monitoring erfolgt entlang des Prinzips der Verdatung im Spiel maßgeblich durch die Rückkopplung des spielenden Subjekts mit dieser Verdatung, was die umfassende Quantifizierung von Entscheidungshandeln im Spiel voraussetzt.

Demnach wären insbesondere ökonomische Planspiele auch hinsichtlich ihres doppelten Steuerungsprinzips zu analysieren, nämlich im Hinblick auf die Steuerungsvorgaben der simulierten ökonomischen Prozesse und Wirkungszusammenhänge, die durch regulatorisches und regelgeleitetes Entscheidungshandeln im Spiel vollzogen werden und im Hinblick auf die Selbstregulierung des spielenden Subjekts, das sich durch ›Rollenspiel‹ (Übernahme der Handlungsrolle und ‑position), Aktivierung von Regelstrukturen, Probehandeln und Einübung in spezifische Handlungs- und Denkweisen und an das Spiel als inszenierte Lernumgebung adaptiert.